Fachartikel in Die Stiftung: „Neurofinanz: Wieso das Investieren unser Gehirn überfordert”

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Modernste neurowissenschaftliche Erkenntnisse können Denk- und Verhaltensmuster erklären – auch beim Thema Finanzen. Immerhin basieren über 80 Prozent aller menschlichen Entscheidungen auf Emotionen. Diese Verhaltensanomalien lassen sich für ein aktives Risikomanagement nutzen.
Von Nikolas Kreuz, INVIOS GmbH

 

Menschen handeln oft irrational, weil ihr Verhalten auf Muster zurückzuführen ist, die sich im Laufe der Evolution entwickelt haben. Was jahrtausendelang im darwinistischen Evolutionskampf geholfen hat – nämlich: wegzulaufen, wenn Gefahr droht –, hilft an der Börse nicht. Wenn man hingegen weiß, wie Anlageentscheidungen zustande kommen und welche Verhaltensfehler bei Investoren systematisch auftreten, kann man diese Anomalien für die Geldanlage nutzen.

Die Region des Gehirns, in der die Irrationalität wohnt, ist das limbische System. Die dortigen Aversions- und Schmerzzentren werden durch Reize stimuliert. Eine Verlustangst oder auch realer Verlust führen zu Ärger, dann zu Wut und wiederum zu Angriffs-, Abwehr- oder Fluchtreflexen – bis zu zeitlich befristeten Panikschüben aufgrund eines erhöhten Cortisolspiegels.

Die Börse mit ihren vielen, schnellen Reizen hält hier ständig Möglichkeiten zur Auslösung dieser Reaktionen bereit. Wir alle sollten uns daher über die im Hirn ablaufenden Prozesse im Klaren sein, bevor wir uns vom limbischen System zu unüberlegtem Handeln treiben lassen: weg von Emotionen, hin zu überlegten, faktenbasierten Entscheidungen.

So ist es zum Beispiel wichtig, den Unterschied zwischen Trend und Megatrend zu kennen, um faktenbasiert investieren zu können. Auf der einen Seite stehen Trends – oder besser: Hypes –, die oft von Marketingabteilungen ausgerufen und schön verpackt werden, häufig aber irrelevant sind. Dazu gehörten unter anderem die vielzitierten Abkürzungen BRIC, TMT und der Neue Markt – oder auch Tulpen, um ein fast 400 Jahre altes Beispiel zu nennen. Der langfristige Erfolg mit solchen Trends ist begrenzt – ganz im Gegenteil: Sie sind eine der sichersten Methoden, Vermögen zu reduzieren.

»Jeden Tag werden wir von kurzfristigen Marketingtrends beschallt und beeinflusst: Egal ob Kryptowährungen oder Wasserstoff – der Kursanstieg vieler Investments geht mit großem Medienrummel einher. Der beste Tipp ist daher: Ruhe bewahren.«



Die Argumente für solche Trends sind oft nachvollziehbar und tragfähig. Wasserstoff ist zweifellos eine Schlüsseltechnologie. Aber es ist eben nur ein Subsegment des Megatrends Klimawandel. Bei Kryptowährungen kommen einige Studien zu dem Ergebnis, dass eine Beimischung von Bitcoin zu effizienteren, besser diversifizierten Portfolios führt. Oberste Maxime dabei: gut informieren und über die Unternehmen streuen. Und vielleicht sollte man hier besser in die dazu gehörende Infrastruktur investieren, wie Blockchain- oder Security-Technologien, die unter anderem Speicher- und Rechnerleistung bereitstellen und an dem Hype real verdienen. Beim Goldrausch im Wilden Westen wurden nur die wenigsten Goldgräber reich – mit Sicherheit aber diejenigen, die Hacken, Schaufeln und Siebe verkauften.

Natürlich: In all diesen Bereichen gibt es gute Anlagemöglichkeiten. Allerdings sind sie häufig nicht dauerhaft und daher nicht für den langfristigen Vermögensaufbau geeignet.

Erfolgsentscheidend sind das Pareto-Prinzip in der Strategischen Allokation sowie langfristig ausgerichtete Anlagelösungen. Der Anlageerfolg wird vorherrschend durch die Vermögensaufteilung (Strategische Allokation) bestimmt und nicht durch hohe Risikobereitschaft mit Fokus auf ein bestimmtes Einzelinvestment. Hier gilt das Pareto-Prinzip, wie im richtigen Leben.

Dagegen bietet das langfristige Investieren in Megatrends große Chancen: Diese haben wirklich nachhaltigen Einfluss auf die Gesellschaft, auf das Leben und damit auch auf die Kapitalanlage. Dazu gehören etwa Klimawandel und Ressourcenknappheit, technologische Durchbrüche und Digitalisierung, Demografie und sozialer Wandel genauso wie die rasante Urbanisierung und die Verlagerung der politischen und wirtschaftlichen Machtverhältnisse. All das sind Megatrends, die sich langfristig in erfolgreichen Anlageentscheidungen widerspiegeln müssen.

Auch die Alterung der Gesellschaft ist so ein Megatrend – und hier findet sich zudem ein schönes Beispiel zu unserem neurowissenschaftlichen Thema: Über viele Jahre hat sich in der „Silver Generation“ eine psychologische Konditionierung verfestigt, die sie in der – bitte möglichst sicheren! – Geldanlage verzweifeln lässt. Die Best Ager selbst sehen das Problem, kennen die Lösung, aber handeln nicht danach. Dabei wäre es so einfach, wäre da nicht das limbische System, das mit irrationalen Renditeerwartungen zuschlägt.

Hier zeigt sich die klassische Fehlkonditionierung einer ganzen Generation: Die Best Ager sind über Jahrzehnte darauf programmiert, dass Geld auf dem Sparbuch hohe Zinsen bringt. Der Status-Quo-Effekt führt zu Abneigung gegen Veränderung, einer positiven Überbewertung des Bekannten, das durch das Unterbewusstsein zudem unrealistisch in die Zukunft fortgeschrieben wird, und der Ablehnung des Unbekannten bzw. des Neuen.

Erschwerend kommt ein weiterer Effekt dazu: der Herdentrieb. Im Freundeskreis werden die gleichen Verlust- und Risikoängste geteilt, die Menschen bestärken sich in ihrem Verhalten und nehmen nur noch selektiv das Bestärkende wahr. Und da die Abneigung gegen einen möglichen Verlust größer ist als die Aussicht auf einen möglichen Gewinn – was in der Neuro-Finance als Verlust-Aversion bezeichnet wird –, handeln die Best Ager gegen ihre ökonomischen Interessen und bleiben beim Gelernten beziehungsweise Bekannten: Das Ersparte bleibt auf dem unrentablen Sparkonto liegen.

Ein Ausweg aus diesem Dilemma wäre einfach, zum Beispiel ein Investment in einen guten vermögensverwaltenden Multi-Asset-Fonds mit einem asymmetrischen Chancen-/Risikoprofil.

Das Anstrengende ist letztendlich nicht das Investment, sondern der Bruch mit der eigenen Gewohnheit und den persönlichen Überzeugungen, die sich über die Jahre verfestigt haben. So schauen viele Investoren bei fallenden Kursen regelmäßig weg, weil das zu kognitiven Dissonanzen führt und das Angstzentrum die Regie übernimmt. Bei Gewinnen wollen sich die Anleger dagegen schnell belohnen und realisieren Buchgewinne, ohne das Momentum von guten Investments zu nutzen und es laufen zu lassen. Was letztendlich zählt, sind Geduld und Disziplin: Wer sein limbisches System kontrolliert, investiert langfristig besser.

 

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